Im Frühjahr 2017 habe ich bereits einen Beitrag unter diesem Titel verfasst. Dieser wurde nun überarbeitet und angepasst. Köln, August 2018.
Die Gutenberg Galaxis ist dem Untergang geweiht! „Digitale Transformationen“ ja gar „Disruptionen“ zerstören eine Welt, die erst durch die Erfindung des Buchdrucks möglich wurde. Das Buch stirbt aus! Der Mensch verliert sich in digitaler Entgrenzung!
So oder ähnlich wird vielerorts lamentiert und Propheten dunkler Zeiten weisen ein Licht durch die Freuden der Digitalisierung – alles online, alles digital auch und vor allem in der Buchbranche. Doch das Zeitalter der Digitalisierung wird abgelöst durch Digitalität! Gerade dies kann und sollte sich die Buchbranche zu Nutze machen. Rainer Groothuis hat Recht, wenn er die Buchbranche zu mehr Mut und Selbstbewußtsein anregt (Börsenblatt 27.2018, S. 15) ja regelrecht anstachelt. Das „analoge“ Buch stirbt nicht, im Gegenteil!
Digitalisierung meint die rein technisch-fokussierte Sichtweise und eine Verdrängung „analoger“ Lebenswelten und Kulturtechniken. Doch der Mensch ist und bleibt ein haptisches Wesen und wir befinden uns in einer Zeit digital-analoger Vernetzungen (Digitalität). Die Sehnsucht nach „analogen“ Lebenswelten nimmt wieder zu.
Lebens- und damit Konsumwelt im 21. Jahrhundert wird als „Design your life“ – Zeitraum verstanden (siehe Schier 2018)i n dem:
- digitale und analoge Lebenswelten immer mehr verknüpft werden, nicht nur in sozialen Medien (VERNETZUNG)
- die Betonung des Einzelnen/ von Regionen höchstes Gut ist (INDIVIDUELL)
- Kommunikation/Zur Schau Stellung von Konsum und Lebensgewohnheiten „durch-designed“ wird und im Kampf um Aufmerksamkeiten auch sein muss (ÄSTHETISCH).
Gleichzeitig wird ist das mediale (und soziale) Nutzungsverhalten altersübergreifend ambivalent: die digitalen Zugriffszeiten nehmen immer mehr zu, gleichzeitig wird das Bedürfnis nach analogen Auszeiten immer größer. Digitaler Content soll helfen, der Fokus auf analoge Auszeiten zu setzen. Aufmerksamkeit für ein tolles Buch als idealer Moment, um sich Zeit zu nehmen.
Die Buchbranche muss sich stark machen, einzeln oder in gemeinsamen Kampagnen. Sie sind die Guardians der Gutenberg-Galaxis.
Digitalität ist der Schlüssel, den hier zeigt sich wie Vernetzung in Gemeinschaften wichtig ist. Man sich individuell in digital-analoge Balance bringt, um sich in eigenen Räumen Zeit zu nehmen von dem was man schön findet (ästhetik/design). Also der Zeitknappheit und Informationsinflation (oder auch infokalypse, contentgeddon) entgegenzuwirken.
Social ist das Reading dann nämlich nicht in (nur) in digitalen user Foren und Communities (wie Dominique Pleiming in APuZ 41-42/2012 beschreibt), sondern, wenn ich meinen Freunden (digital) zeige, was mich am Lesen erfreut und wenn ich in analogen Orten (Buchhandel) den Raum und die Zeit und die Lust habe neue Leseabenteuer zu entdecken. Aktuelle Studien etwa im Auftrag des Börsenvereins des deutschen Buchhandels deuten in diese Richtung.
Zahlreiche Studien zeigen, dass der Leser emotional-individuell angesprochen werden will, durch personalisierte Empfehlungen. Der Mensch tauscht sich gerne mit einer Gemeinschaft darüber aus, möchte dazugehören (vernetzt). Hier finden sich wieder die Prämissen (individuell-ästhetisch-vernetzt), diese sollten bei der Auswahl und dem Erzeugen von crossmedialem Content bedacht werden um
Es geht also um:
- Aufmerksamkeit schaffen.
- Persönliche Vorteile durch Empfehlungen betonen.
- Dabei helfen das digitale mit dem analogen in Balance zu halten.
Die Buch-Branche schafft dies, durch crossmediale Content Strategien mit digital-analogem Augenmaß (also Digitalität).
Crossmedial: analoge Medien mit digitalen Medien (Kanälen) verknüpfen!
Content: Der wichtigste Content ist das „Buch“ an sich. Ansonsten gilt: wenig Text, viel Bild, maßvoll Audio und Video – aber ästhetisch in Szene gesetzt: Die DonnerstagsFilme (DoFis) der Gartmann Schwestern aber auch HeymannTV als Vertreter professioneller Handels-Influencer machen es vor.
Crossmedialer Content muss allerdings themen- und zielgruppengerecht ausgesucht werden. „Irgendwas“ und „so n bisschen“ im Internet ist nicht ausreichend.
Digital-analoges Augenmaß heißt dann:
die Events im Handel und das passende Einkaufserlebnis (analog) kombiniert mit Empfehlungen (einem Anstupser) über Präsenz auf digitalen Plattformen (soziale Netzwerke, Apps, Blogs, etc). Die Fachkompetenz und Persönlichkeit der Menschen im Buchhandel (analog) und der digitale Austausch und Zugang zu seinen Kunden.
Aber auch Ideen des Analogen ins Digitale tragen: digitale Öffnungszeiten ihrer Buchhandlung/e-shop. Oder digitale Öffnung extra zum Feierabend mit digitalem Chatberatung für zu Hause.
Verlage und Handel können aber auch durch AR und VR Anwendungen digital mit analog verknüpfen: E Books so gestalten, dass User nur weiteren Lese-Content erhalten, wenn ein bestimmter Ort besucht wird (Stichwort: ortsbasierte Angebote, Pokemon Go hat es vorgemacht und jetzt wird es Zeit dies weiter auszubauen und für die indivduellen Bedürfnisse des Handels und der Verlage zu verfeinern)
Wichtig ist dabei den Kunden und Menschen im von Individualisierung, Ästhetisierung und Vernetzung geprägten „design your life“ mitzunehmen und seine Bedürfnisse abzuholen.
Mit digital-analogem Augenmaß im Spiel mit crossmedialem Content kann und soll die Buchbranche „Wächter“ der Gutenberg-Galaxis sein. Das Zeitalter des Buchdruckes ist nicht vorbei, jedoch muss es sich an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts anpassen, einem Zeitalter von Digitalität.
#guardiansofthegutenberggalaxis
Nachtrag: und wenn man unglücklich ist mit der Vormachtstellung von Amazon, warum stärkt man nicht eigene Plattformen und vernetzt sich mit strategischen Partnern, wie DHL und paydirect?